Welchen Wert hat die Arbeit?

Ich liebe stricken und häkeln und habe im Augenblick wieder ständig etwas in Arbeit. Pro Tag stricke ich so ca. 1,5 – 2 Stunden, es macht mir richtig Spaß und dabei geht auch echt was weiter.

Im Augenblick stricke ich gerade einen Wurmbaktus, langsam aber sicher nähert sich das Ende. Wenn ich die Zeit zusammen rechne waren es rund 15 Stunden Arbeit, die in diesem Halstuch stecken.

Beim Stricken hat man viel Zeit um nachzudenken, ich beginne zu rechnen.

Wie viel würden meine handgestrickten Werke kosten, wenn man einen angemessenen Stundenlohn bezahlen würde?

Ich versuche es einmal mit Euro 10,– pro Stunde. Das ist die Hälfte dessen, was für eine Nachhilfestunde und ein viertel dessen, was für eine Massagestunde anfällt.

Die Wolle kostet rund 8,– Euro.
15 Stunden Arbeit zu je Euro 10,– ergeben Euro 150,–

Macht in Summe also Euro 158,– für einen Baktus-Schal.

Aber selbst wenn ich auf Euro 5,– pro Stunde reduziere (das ist weniger, als eine Verkäuferin in der Stunde verdient) ergibt das noch immer Euro 75,– + 8,– in Summe also 83,– Euro

Zum Vergleich – der Marktpreis

Ein handgestrickter Baktus kostet über DaWanda zwischen 12,– und 40,– Euro. Die meisten Teile liegt zwischen 16,– und 24,– Euro.

Wenn wir die Kosten der Wolle abziehen, welche ich recht niedrig mit Euro 8,– angesetzt habe, liegt der Lohn der Arbeit zwischen 8,– und 16,– Euro und das für 15 Stunden stricken (Die Kosten für den Verkauf und den zusätzlichen Zeitaufwand fürs Einstellen und das Versenden rechne ich jetzt gar nicht ein!). Macht einen Stundenlohn von 0,53 – 1,06 Euro.

Versuchen wir die selbe Rechenaufgabe mit selbst gestrickten Socken.

Ein paar Socken habe ich an 3 Abenden gestrickt, es stecken rund 6 Stunden Arbeit drin.

Rechnen wir sicherheitshalber gleich mit Euro 5,– pro Stunde

6 x 5,– Euro ergibt 30,– Euro
die Wolle kostet je nach Schafthöhe zwischen 4,– und 6,– Euro

Dann liegen wir bei rund Euro 35,– für ein Paar Socken.

Verkauft werden selbst gestrickte Socken in einer Preisklasse zwischen 10,– und 15,– Euro.

Der Lohn für 6 Stunden stricken liegt somit bei 6,– und 9,– Euro, umgerechnet sind das zwischen 1,– und 1,50 Euro pro Stunde.

Ich will Euch gar nicht weiter mit Rechenspielen nerven. Alle, die selbst stricken wissen, dass diese Arbeit im Grunde unbezahlbar ist.

Der Preis unserer Kleidung

Das sind nur Beispiele, man könnte die selben Rechenaufgaben auch mit Näherinnen machen, die ihre selbst genähten Taschen oder Upcycling-Kleidungsstücke verkaufen.

Wir müssen also gar nicht nach Bangladesh schauen um im Bereich der Kleidung unterbezahlte Arbeitkräfte zu finden, auch hier bei uns wird viel zu wenig dafür bezahlt!

Würdest Du für für 1,– Euro pro Stunde und somit 160,– Euro pro Monat arbeiten gehen???

Der Wert unserer Kleidung

Wenn man für ein T-Shirt für 3,– Euro bezahlt, dann hat es einfach keinen Wert. Sollte die Naht aufgehen, wird es nicht genäht/repariert sondern sofort weggeworfen und landet im Müll.

Untrennbar mit dem geringen Preis verbunden ist also, dass wir den Wert der Kleidung nicht mehr zu schätzen wissen.

Der Kleidung die Wertschätzung zurück geben

Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema „Bekleidung“, gebe ich sowohl der Kleidung als auch denjenigen, die die Kleidung herstellen, die Wertschätzung zurück.

Der selbst gestrickte Schal, die selbst genähte Tasche, die warmen Wintersocken – ich habe ein Verbindung zu meinen Kleidungsstücken, wenn ich sie selbst anfertige.

Aber mit genau dem selben Respekt und der selben Wertschätzung sollten wir auch allen anderen Kleidungsstücken begegnen, die von vielen Menschen auf allen Teilen der Erde für uns gefertigt werden.

Vor allem aber sollten wir bereit sein, einen fairen, angemessenen Preis für Kleidung zu bezahlen.

Ich stelle noch einmal die Frage:

Würdest Du für für 1,– Euro pro Stunde und somit 160,– Euro pro Monat arbeiten gehen??? Die Näherinnen in Bangladesh bekommen noch nicht einmal das, ihr Monatslohn beträgt rd. Euro 30,– bei Kosten für den Wohnraum in fast der selben Höhe…

Videotipp:


23 Kommentare zu “Welchen Wert hat die Arbeit?

  1. Diese Rechenspiele stelle ich auch immer mal wieder an. Und es ärgert mich oft sehr, wenn ich sehe, wie günstig manche ihre selbst gemachten Sachen verkaufen. Dazu gibt es auch einen Beitrag auf dem Blog von regenbogenbuntes.

  2. Jetzt musste ich aber zuerst mal gucken, was ein Wurmbaktus ist. So ein hässlicher Name für so ein schönes Teil!
    Aber zur Sache: durch dieses billig-billig ist uns tatsächlich das Gefühl für den Wert eines Dinges abhanden gekommen. Man könnte vielleicht auch sagen: wir sind ihm entfremdet, weil wir nur das fertige Teil sehen und nicht wissen, was da für Arbeit drin steckt. Das habe ich um mich herum auch schon bemerkt. Erst wenn man etwas selber macht, merkt man das.
    Das Gleiche gilt auch für den Gemüsegarten, habe ich festgestellt … (noch eine Notiz, dass ich da mal was drüber schreiben will).
    LG und: wieder ein richtig guter Artikel!

  3. Solche Rechnung hab ich auch schon angestellt. Deshalb widerstrebt es mir meine Sachen „in Massen“ herzustellen. Wenn ich einer Bekannten den Preis für Socken oder eine Tasche nenne, kippt die fast regelmäßig aus den Latschen. Die Ladensachen seien doch um einiges Billiger! Und dabei liegt mein Stundenlohn wohl auch bei ca. 1,- Euro!!! Wenn Dior oder YSL für ihre nicht gerade alltagstauglichen „Alltagskleider“ schon 4-stellige Summen verlangen, ist das ok. Selbst eine Tasche der gleichen Marke darf im 3-stelligen Bereich liegen – man gönnt sich ja sonst nix. Das ist ja schließlich Design. Was wir Handarbeiterinnen machen ist das wohl nicht? Ganz ehrlich: ich verschenke meine Socken lieber einem Menschen, der meine Arbeit zu würdigen weiß und sie gerne trägt!

    Liebe Grüße
    Gusta

  4. Gusta, mir geht es genauso: Ich habe ein einziges mal Taschen vertickt und das hat mich so frustriert, da hatte ich überhaupt keinen Spaß mehr dran, sondern hab mich einfach unterbezahlt gefühlt, während die Freundin über die Preise geschluckt hat. Deswegen verschenke ich meine Sachen auch nur noch.

    Die Preise kommen eben auch zustande, weil die allermeisten DIY-lerinnen nicht von dem Verdienst leben und daher nicht soviel verlangen müssen. Würden da wirklich Existenzen dranhängen, wäre die Preisgestaltung eine ganz andere. Nur die Kunden würden dann wohl wegbleiben.
    Also lieber für sich und seine Lieben werkeln und sich dran freuen und Freude weiterschenken.
    LG Zora

  5. Leider ist das ja auch beim Reparieren so!Niemand repariert mehr etwas, weil es im Laden sowieso billiger ist…der Reißverschluss für den Kinderschlafsack, 6 €; die Verkäuferin wollte mich in den Discount nebenan schicken, da gibt es Schlafsäcke für das Geld! Meine teure Marke Uhr, ein Hochzeitsgeschenk- Getriebe kaputt, Reperatur 20€- der Verkäufer meinte, das würde sich kaum rentieren! Echt teure Winterstiefel, Reperatur letztendlich 6€, ein Schuster nahm sie gar nicht an, weil die Reperatur teurer werden würde als der Schuh!!!
    Solange Dinge im Laden nicht den Preis kosten, den sie tatsächlich kosten müssten(also auch der gesamt ökologische Fingerabdruck in den Preis eingeht). Werden wir wohl weiterhin für uns werkeln, uns daran freuen aber keine Rechnungen darüber anstellen dürfen!

    • Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Mein Fernseher – kurz nach der Garantie kaputt. Ich habe ihn trotzdem reparieren lassen, er läuft seitdem problemlos. Bei meinen Stiefeln wurde am Ende des ersten Winters der Reißverschluss kaputt. Ich habe für den neuen Reißverschluss Euro 35,– bezahlt. Diese Stiefeln trage ich nun den 4. Winter…

      Mir ist diese ganze Wegwerfmentalität einfach zuwider!

      Du hast recht, viele Dinge kosten im Laden nicht das, was sie eigentlich kosten müssten. Und das nur, weil wir im Westen die Armen dieser Welt ausbeuten.

      Ich schäme mich dafür!

      lg
      Maria

  6. Da gebe ich Euch völlig recht. Für eine lieben Menschen ist es mir nicht zu viel 15 Stunden zu sitzen um das Tuch zu stricken. Aber für 15,– Euro würde ich das nicht machen.

    Dass für die Arbeit der Näherin der Kleidung von Billigketten noch viel, viel weniger bezahlt wird, sollte uns wirklich zu einem Umdenken anregen.

    Ich für meinen Teil will da nicht mehr mitmachen – widerstandistzweckmaessig!

    lg
    Maria

  7. Pingback: selbst.gemacht statt selbst.gekauft – Halstücher

  8. Ich habe eine Outdoorjacke für 250 Euro komplett neu ersetzt bekommen, obwohl nur ein kleiner Reißverschluss kaputt war. Die zweite Fleecejacke darin war tadellos. Die durfte ich auch nicht behalten.

  9. Hallo Maria, bei deinen Stundenhonorarberechnungen müsstest du aber erwähnen, dass in der Stunde Nachhilfe normalerweise eine Vorbereitungszeit und oft auch die Bereitstellung von Materialien enthalten ist. Eine Nachhilfestunde wird sozusagen „brutto“ berechnet, während eine Strickstunde „netto“ angesetzt werden kann. Also: hinsetzen und stricken und die Zeit läuft. Bei der Nachhilfestunde dagegen: eine Stunde Vorbereitung, dann evtl. Fahrzeit zum Nachhilfeschüler und erst ab dem Moment, in dem sich Nachhilfeschüler und Lehrkraft an den Tisch setzen, beginnt die Uhr zu ticken und die Stunde läuft.
    Ja, sicher, man braucht als Handarbeiterin auch Zeit, um Nadeln hervorzuholen und Garn auszuwählen oder auch eine Anleitung zu suchen, aber diese Zeit fällt pro Strickstück nur einmal an – verteilt sich also auf alle aufgewendeten Strickstunden. Bei der Nachhilfe fällt für verantwortungsvolle* Lehrer PRO Nachhilfestunde eine Vorbereitungszeit an. Deshalb finde ich den Honorarvergleich nicht so passend.
    *“verantwortungsvoll“ bedeutet für mich, dass die Lehrkraft individuellen Unterricht erteilt, also zugeschnitten auf die jeweiligen Bedürfnisse und Schwierigkeiten und den Schüler dort abholt, wo er gerade steht (und dabei berücksichtigt, wo er hin muss).

    • Hallo Nachhelferin!

      Ich finde es schade, dass Du Dich dadurch angegriffen fühlst, ich hatte die Nachhilfe nur beispielhaft erwähnt und wollte damit nicht ausdrücken, dass Nachhilfelehrer überbezahlt sind.

      Worum es mir bei dem Beitrag ging ist, dass gerade Frauen im Textilbereich nicht nur in Drittländern viel zu wenig bezahlt bekommen.

      lg
      Maria

      • Hallo Maria, nein, kein Problem. Ich habe mich nicht angegriffen gefühlt, sondern wollte nur auf diese Unstimmigkeit aufmerksam machen (die bei Honorar-Lehrkräften und Dozenten gerne übersehen wird). Der Weiterbildungsmarkt ist (jedenfalls für freiberuflich/selbständig Tätige) ebenfalls so ein chronisch unterbezahlter Bereich, in dem frau trotz Engagement, Qualifikation und hohem zeitlichen Einsatz kaum einen Verdienst erreichen kann, mit dem sie auf eigenen Beinen stehen kann / könnte. (Nicht eingeschlossen sind hier „Coaches“ und „Trainer“, die im Business-Bereich arbeiten.)

        Aber das ist freilich nicht Thema deines Blogs. 😉 Ich finde es auf jeden Fall gut, dass du dich für faire Produkte und eine gerechte Bezahlung einsetzt.

  10. Ach, mir fällt zur Berechnung des Werts des Handarbeitens noch eine Frage ein: Wie haben diese jungen Männer, die diese Häkelmützen vor ein paar Jahren populär machten, denn ihre ersten Kreationen bezahlen lassen? Sobald die Nachfrage an Mützen stieg, haben sie ja vor allem „häkeln lassen“. Wie viel haben sie ihren Mützen-Herstellerinnen bezahlt? Weiß das jemand?

    Ob die jungen Männer nach den ersten Exemplaren überhaupt noch selbst Hand angelegt haben oder sich nur noch für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zuständig waren, ist mir nicht bekannt. Ich weiß auch nicht mehr, ob die jungen Männer in Deutschland herstellen ließen und lassen oder ob sie gleich in „billigere“ Länder wechselten. Auf jeden Fall haben sie es geschafft, mit „gehandarbeiteten Produkten“ Geschäft zu machen. (ich vermute nur, dass dabei die wahren Hersteller/innen finanziell wieder auf der Strecke bleiben.)

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